Paula Rego

Blicke hinter die Fassaden

  • Blicke in die Ausstellung Paula Rego in unseren Räumen in der Münchener Residenz
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Malerei, Zeichnung sowie das Medium der Radierung stehen im Mittelpunkt der künstlerischen Arbeit von Paula Rego. Die 1935 in Lissabon geborene Künstlerin lebt und arbeitet seit den späten 50er Jahren in London und gilt als eine der wichtigsten figurativ arbeitenden Künstlerinnen der Nachkriegszeit. Ihr Œuvre erfuhr in zahlreichen Ausstellungen internationale Würdigung, darunter Retrospektiven in der Fundação Calouste Gulbenkian in Lissabon (1988), im Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofia in Madrid (2007/08 und 2012) sowie im Gulbenkian Museum, Paris (2012). Zu den öffentlichen Sammlungen, die ihre Werke präsentieren, zählen die Tate Britain und die National Gallery in London sowie das 2009 in Cascais, Portugal, errichtete Casa das Histórias Paula Rego.

Little Brides with their Mother
Little Brides with their Mother, 2009/10

Radierung, Aquatinta und Spit-Bite, 3/35, Platte: 29,8 x 40 cm / Blatt: 46,5 x 55,4 cm
Courtesy Galerie Fred Jahn, München, und Marlborough Fine Art London

Kennzeichen ihres unverwechselbaren Stils sind die expressive Präsenz ihrer Figurationen, generiert aus einer assoziativen Nähe zu Vorbildern der Kunstgeschichte, sowie Anregungen aus der Populärästhetik der großen viktorianischen Illustrationskunst. Ihre Nähe zur linearen Formensprache des »Urvaters des Surrealismus«, Francisco de Goya, ist unverkennbar. Das grotesk assoziative Spiel mit ihren Themen verortet sie aber auch im weiteren Umfeld des modernen Surrealismus im 20. Jahrhundert, mit Vertretern wie zum Beispiel Max Ernst. Die figurative Intensität ihrer Arbeiten erinnert dabei gelegentlich an Edgar Degas, ihr imaginativer Erzählstil an eine Mischung aus Honoré Daumier und Pierre Klossowski. Dieses Changieren ihrer Arbeiten zwischen ambivalenten Deutungsmöglichkeiten und der nahezu haptischen Präsenz ihrer Figurationen, die sich durch ihre gleichzeitige magisch-surreale Abstraktion der konkretisierenden Betrachtung zu entziehen scheinen, machen den Reiz und das Rätsel ihrer Arbeiten aus.

The Guardians
The Guardians, 2009

Radierung und Aquatinta, 9/35, Platte: 49,5 x 37,2 cm / Blatt: 64 x 50 cm
Courtesy Galerie Fred Jahn, München, und Marlborough Fine Art London

Die stets konkreten Themen werden von Regos außergewöhnlicher Erzählstrategie getragen – in einem Zusammenspiel von Komposition und einer geradezu malerischen Gestaltungsweise. Was so entsteht, ist überaus komplex – erzählerisch wie metaphorisch – und aufgrund von Regos populärkulturellen Themen und den Anklängen an ein kollektives Gedächtnis pointiert inszeniert. Dabei wird aus unterschiedlichsten Quellen geschöpft: aus Märchen etwa, aus Kindergeschichten wie Peter Pan und aus Romanfiguren wie Jane Eyre, aus Sagen und mythologischen Figuren, aus poetischen Texten etwa des Franzosen Yves Bonnefoy, aus Singreimen und Erzählungen, aber auch aus aktuellen gesellschaftspolitischen Diskussionen wie jenen in den 1990er Jahren über Abtreibungen in Portugal.

After Hogarth IV
After Hogarth IV, 2000

Radierung und Aquatinta, 11/17, Platte: 30,6 x 35,8 cm / Blatt: 53 x 54,7 cm
Handkoloriert
Courtesy Galerie Fred Jahn, München, und Marlborough Fine Art London

Trotz ihrer konkreten Themen sind Regos Arbeiten weder bloß illustrativ noch reißerisch karikierend. Vielmehr arbeitet die Künstlerin in einer autobiographischen und individuell re-konnotierten Weise mit dem jeweiligen Thema. In den fertigen Bildern lässt sich das an ihren spannungsreichen Figurendramaturgien ablesen. So gelingt es ihr, autonome künstlerische Statements zu erschaffen. Dennoch behalten auch die Textreferenzen ihre Aussagekraft. Denn Rego verwendet die »fiktionalen« Texte – und Zitate stereotyper Rollenbilder ebenso – als ernst zu nehmendes Erbe einer gesellschaftlichen Sur-Realität, da sie sich in ihrem privaten Wirkungsfeld sowohl der »Zensur« als auch der Institutionalisierung durch politische Autoritäten entziehen konnte. Auf diese Weise wird der re-inszenierte Stoff in Regos Arbeiten vor allem als ein Medium wiederverwendet, mit dem institutionalisierte Werte potenziell unterlaufen werden können. Konkret realisiert sie so durch ihre überspitzten Inszenierungen – der Themen einerseits und der Rollenschemata ihrer Protagonisten andererseits – nicht nur eine zum Grotesken tendierende Ästhetik, sondern es gelingt ihr darüber hinaus, das gesellschaftspolitisch subversive Potenzial von Tradiertem, Populärem und Etabliertem drastisch zu verdeutlichen. So gesehen ist Paula Regos Kunst brandaktuell.

Viktoria Tiedeke

 

Erste Ausstellung von Werken Paula Regos in unserer Galerie:
Paula Rego: Prints and Related Drawings
8.–15. November 2013
Galerie Fred Jahn | Residenz

Zahlreiche englischsprachige Publikationen über das Werk der Künstlerin sind erschienen, zu den wichtigsten zählen:
John McEwen, Paula Rego, Phaidon Press Ltd. 1992 (3. Auflage 2008, derzeit vergriffen)
Fiona Bradley, Paula Rego, Tate Publishing 2002
T. G. Rosenthal, Paula Rego: The Complete Graphic Work, Thames & Hudson 2012

Interviews mit der Künstlerin finden Sie hier:
TateShots, Paula Rego: Printmaking at the Curwen Studio, 2008
Robert Hughes Interviews Paula Rego