Am 19. April 2013 erhielt der Münchener Galerist Fred Jahn den vom Bundesverband Deutscher Galerien und Kunsthändler (BVDG) und der Koelnmesse gemeinsam
­vergebenen ART COLOGNE-Preis.

Die nachfolgende Laudatio für Fred Jahn hielt Professor Siegfried Gohr im Historischen Rathaus zu Köln am Tag der Preisverleihung.

 

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Roters, lieber Fred, meine sehr geehrten Damen und Herren,

für Galeristen gibt es keine Lorbeerkränze wie für die Künstler in früheren Zeiten, stattdessen eine Laudatio, also eine Lobrede – immerhin.

Noch stand die Kölner Kunsthalle im Sommer 1976, als hier eine Retrospektive von Georg Baselitz stattfinden konnte. Sie war vorher schon in München und Bern gezeigt worden. Um die Kölner Station vorzubereiten, kam der Galerist Heiner Friedrich in die Kunsthalle. Damals war Horst Keller, der Direktor am Wallraf-Richartz-Museum, gleichzeitig für die Kunsthalle zuständig. Es reizte ihn, die Baselitz-Ausstellung vom Galerie-Verein in München zu übernehmen, auch weil der damalige Prinz Franz von Bayern dort eine maßgebliche Rolle spielte; außerdem befanden sich in der Sammlung Ludwig eine Reihe von wichtigen Gemälden von Baselitz, so dass Keller auch in Richtung Peter Ludwig eine ehrende Geste machen konnte. Bei der Vorbereitung der Ausstellung, die Keller mir als seinem Referenten weitgehend überließ, traf ich zum ersten Mal Fred Jahn. Er war von Seiten der Galerie Heiner Friedrich mein Ansprechpartner.

Heiner Friedrich und Fred Jahn
Heiner Friedrich (sitzend) und Fred Jahn in der Baselitz-Ausstellung, Galerie Heiner Friedrich, München 1976.
Foto: Georg Schödel

Als Ergänzung und im Unterschied zu München und Bern schlug Jahn vor, auch die Graphik von Baselitz einzubeziehen, der er eine herausragende Bedeutung beimaß. Dass er mit den Drucken bestens vertraut, ja ein wirklicher Liebhaber von Arbeiten auf Papier war, stellte sich bald heraus. Vernis mou, Clair-obscur, Ätzung, Kaltnadel, Probedruck, Peintre-Graveur lauteten einige Vokabeln aus dem Repertoire des Graphik-Kenners. Ich selbst lernte viel dazu und war bald genauso fasziniert wie Jahn. Deshalb beschlossen wir, mitten in das Obergeschoss der Kunsthalle ein Graphikkabinett einzubauen, wo eine repräsentative Auswahl des druckgraphischen Schaffens von Baselitz zu sehen war.
Seit dieser Zusammenarbeit ist der Kontakt zu Fred Jahn nicht mehr abgebrochen, und so konnte ich seit dieser Zeit seine Aktivitäten in München und anderswo verfolgen. Wenn ich ihn besuchte, war er in der Galerie Heiner Friedrich auf der Maximilianstraße zu finden. Damals interessierte ich mich für alles, was aktuell in den Galerieräumen zu sehen war, wie die nächsten Pläne waren, wo es vielleicht Möglichkeiten der Zusammenarbeit gab.

Über Persönliches wurde kaum gesprochen; deshalb erfuhr ich viel später, dass Fred Jahn zuerst bei der Galerie Raimund Thomas begonnen hatte. Aber schon vorher hatte er verschiedenste Erfahrungen gemacht, weil er manches ausprobiert hatte. Zuerst sollte er Großhandelskaufmann in Hof in Oberfranken lernen. Nach dem Abschluss ging der Weg nach München, wo er 1962 seine Suche nach dem eigenen Weg begann. Ein Volontariat bei der Süddeutschen Zeitung wurde absolviert, ein kleiner Verlag für Anzeigen gegründet, wodurch die ersten Kontakte zu Galerien entstanden. Besuche von Ausstellungen waren die logische Folge, es bildeten sich Freundschaften mit Künstlern. Zum ersten professionellen Kontakt kam es mit der Galerie Raimund Thomas, wo Jahn seit 1964 zuerst nur abends arbeitete, um Ausstellungen, Prospekte und Kataloge vorzubereiten. Während der Zeit bei Thomas gründete er eine Werbeagentur, und Ende 1967 begann er, mit Gernot von Pape unter dem Namen »Edition X« Graphik zu verlegen. Das Programm war nach vielen Seiten offen, aber einige spätere Konstanten zeichneten sich schon ab: Es gab Graphik von Otmar Alt, Rupprecht Geiger, A.R. Penck, Gerhard Richter, Palermo und Fred Sandback. Jahns diesbezügliche Aktivitäten gefielen natürlich Raimund Thomas nicht, aber dessen Angebot, eine bessere Position in der Galerie einzunehmen, schlug Jahn aus; denn die Graphikedition reizte ihn besonders, weil es darum ging, der Schwemme von Blättern wie denen aus der Siebdruckpresse etwas entgegenzusetzen. Graphik als selbstständige Kunstform, geschaffen von den besten zeitgenössischen Künstlern, war das Ziel der Edition.

Ausstellung »Wolfram Erber«
Blick in die Ausstellung »Wolfram Erber: 21 Pastelle und 2 Zeichnungen zu Stéphane Mallarmé: Ein Würfelwurf«, Galerie Fred Jahn | Maximilianstraße, München 1980.
Foto: Archiv Galerie Fred Jahn

Dennoch war die Zeit bei Thomas wichtig, nicht nur weil hier die klassische Moderne mit dem Zentrum des Expressionismus eingehend kennenzulernen war, sondern auch weil Kunsthandel von der Basis aufwärts gelernt werden konnte. Hier gewann Fred Jahn die nötigen Einblicke in das Geschäft mit der Kunst, das bei aller Begeisterung für die Sache für alle Beteiligten lebenswichtig war. Durch die Graphikedition kam der Kontakt mit Heiner Friedrich zustande. 1963 hatte dieser in München eine Galerie gegründet, die das ambitionierteste Programm in der Stadt bot. Gerhard Richter, Sigmar Polke oder Andy Warhol waren zum Beispiel zu sehen. Um 1968/69 bot Friedrich an, mit der Edition X zusammenzuarbeiten, um Graphik von Richter und Palermo zu verlegen. Es entstand aus den Diskussionen zwischen Jahn, Friedrich, Erik Mosel, der damals eine Werbeagentur betrieb, und Thordis Moeller der Wunsch, neue Formen der Kunstvermittlung zu erarbeiten. Daraus entstand jedoch nichts Dauerhaftes, da Friedrich und Mosel nicht auf einer Linie waren. Deshalb stieg Jahn in die Galerie ein, ohne die Edition X aufzugeben.

Wie sehr damals alles im Fluss war, zeigen die weiteren Schritte in der Galerie Heiner Friedrich; auch Six Friedrich begann mitzuarbeiten und später auch Sabine Knust. 1970 ging Heiner Friedrich mit Thordis Moeller nach Köln, so dass erneut eine Justierung der Münchner Galerie erfolgen musste. An diesen nur im Wichtigsten geschilderten Prozessen lassen sich verschiedene Dinge ablesen. Zum einen waren es höchst individuelle Menschen, die miteinander zu tun hatten, zum Zweiten musste ein neuer Typus von Galerie gefunden werden, der sich vom Typus der Galerien Günther Franke, Otto Stangl oder Otto van de Loo unterschied, zum Dritten war in enger Zusammenarbeit mit den Künstlern eine intensive Vermittlung nötig, da die neue Kunst sich erst noch ihr Publikum suchen musste, genauso wie die Sammler.

Wie in Köln, wo 1967 der erste Kunstmarkt im Gürzenich stattfand, lag dieses Neue in der Luft, ein Aufbruch der Avantgarde, der nach Wegen in die Gesellschaft suchte. In München waren es Barbara Nüsse, Walter Bareiss und Prinz Franz von Bayern neben anderen, die für die neuen Strömungen in der Kunst gewonnen werden konnten, also ungefähr zeitgleich mit Wolfgang Hahn oder Peter Ludwig in Köln.
Aber nicht nur in diese Richtung erweiterte sich die Galerietätigkeit, auch neue Künstler kamen hinzu. Neben Richter, Palermo, Polke war es Georg Baselitz, der von Franz Dahlem in Osthofen besucht wurde. Für ihn begann Fred Jahn ein Archiv der Graphik aufzubauen, das schließlich zur Ausstellung in Schloss Morsbroich in Leverkusen 1974 und zu einem ersten Werkkatalog führte.

J. W. Fröhlich, Imi Knobel, Franz Dahlem und Fred Jahn
Während der Eröffnung der Ausstellung »PALERMO: Die gesamte Grafik und alle Auflagenobjekte 1966 bis 1975«, Städtisches Museum Abteiberg, Mönchengladbach, am 13. März 1983, verbunden mit der Herausgabe des gleichnamigen Werkverzeichnisses von Palermo durch Fred Jahn. Zu sehen sind auf dem Foto: der Sammler J. W. Froehlich (links) und Imi Knoebel (neben ihm) sowie Franz Dahlem (rechts außen) und Fred Jahn (links neben ihm).
Foto: Dietmar Schneider

Um die Münchner Galerie von der Kölner zu unterscheiden, wurde 1974 die Edition der Galerie Heiner Friedrich gegründet. Beteiligt waren Heiner Friedrich, Six Friedrich, Sabine Knust und Fred Jahn, der Geschäftsführer wurde. Durch ihn wurde das Spektrum der Edition markant erweitert, denn Jahns Freundschaft mit Michael Werner brachte Kontakte zu Künstlern wie A.R. Penck, Jörg Immendorff oder Marcel Broodthaers.
Wenn es heutzutage so scheint, als würden die Arbeiten auf Papier allmählich selbst von den Museen ins Abseits gedrängt, war damals anspruchsvolle Kunst auf Papier ein sehr wichtiges Segment der Kunstausübung und auch des Kunstmarktes. Niemand hat diese Situation energischer und zielbewusster interpretiert als Joseph Beuys.
Neben seinem tief greifenden Interesse an den Möglichkeiten der graphischen Techniken gab es für Jahn vor allem die Chance, mit den Künstlern so eng wie in keiner anderen Disziplin zusammenzuarbeiten; denn eine Edition steht am Ende eines Projektes und eines Prozesses, der Einfühlungsvermögen, Kommunikation und Erfindungsgeist erfordert.
Aus dem bisher Geschilderten wird klar, dass die Entscheidung früh gefallen ist, die Arbeiten auf dem Papier der geschätzten Künstler in den Mittelpunkt zu rücken. Seit der Gründung der Edition X im Jahr 1967 wurde das Engagement für die Graphik ein ständiges Anliegen bis heute. Wenn ein Besucher etwas zu sehen wünschte, zog Jahn die entsprechenden Schubladen auf, und sowohl an seiner Körpersprache als auch an seiner Art des Berührens, Tragens, Präsentierens der Papierarbeiten ließ sich immer wieder die besondere Wertschätzung ablesen. Aber auch wie dann das Seidenpapier nach dem Anschauen auf die Blätter zurückgelegt wurde, glich einem Ritual. Bevor sich die weiße Schicht erneut auf die Darstellung senkte, sprach aus Jahns Blick etwas wie ein Abschied – auch wenn dieser ja nur kurze Zeit dauern musste. Aber in diesem Blick erkannte ich auch etwas Prüfendes, die Kenntnis Vertiefendes. Es ist nicht genug zu loben und hervorzuheben, wie wichtig es war, die Position der Künstlergraphik zu stärken. Denn mit den sechziger Jahren begann eine Unzahl von Graphikeditionen, die Öffentlichkeit zu überfluten. Manche dieser Initiativen wurde unter dem Etikett »Demokratisierung der Kunst« rubriziert: Alle sollten mit Hilfe der Graphik am Kunstschaffen teilhaben können. Wie so vieles in den sechziger Jahren gut gemeint. Aber es war nicht Jahns Zugang zur Graphik, Kunstaktien für den kleinen Mann zu produzieren, damit auch dieser einen Zipfel der großen Kunstwelt erhaschen konnte; es ging ihm um Graphik als ein produktives, genuin schöpferisches künstlerisches Verfahren. Die Auflagenhöhen wurden beschränkt, traditionelle Techniken wie die Radierung und der Holzschnitt rückten in den Mittelpunkt. Und gerade diese scheinbar nicht mehr zu erweiternden Techniken erwiesen sich unter den Händen wichtiger Künstler als Herausforderungen, die innovativ genutzt werden konnten. Georg Baselitz, A.R. Penck, Donald Judd, Fred Sandback und viele andere fanden neben den Österreichern wie Hermann Nitsch und Arnulf Rainer ein neues Gebiet, das unter der kundigen Regie von Fred Jahn vermessen und erweitert werden konnte. Natürlich brauchte es die Drucker, die ihr Wissen und ihr Handwerk nicht als Routine, sondern als mitproduktiv an den Editionen einsetzten; eine herausragende Rolle spielte Karl Imhof.
Ausgestattet mit allen diesen Voraussetzungen und Erfahrungen begann Jahn 1978 seine eigene Galerietätigkeit, die schon seit dem Beginn weit gefächert war. Das Programm des Jahres 1980 umfasste zum Beispiel folgende Namen: Per Kirkeby, Markus Lüpertz, Troels Wörsel, Antonius Höckelmann, Wolfram Erber, Wolfgang F. Dirtinger. Bilder und Zeichnungen wurden gezeigt, aber auch der Schmuck von Peter Müller.

Gerhard Richter: Abstrakte Bilder
Blick in die Eröffnungsausstellung »Gerhard Richter: Abstrakte Bilder« der Galerie Fred Jahn | Baaderstraße, München 1985.
Foto: George Meister

Das Programm war sowohl lokal wie international geprägt, eine Mischung, die bis heute beibehalten wurde. Aber bald kamen neue Namen und neue Gebiete hinzu. Zum Beispiel Gerhard Richter, Ludwig Gosewitz mit seinen Glasarbeiten, Stefan Wewerka mit Entwürfen. 1986 zeigt die Galerie im Studio traditionelle japanische Keramik der Gegenwart und traditionelle Gebrauchsgegenstände von Völkern aus Zaire, also aus Afrika. Amerikanische Künstler tauchten auf. Wenn man die Ausstellungsgeschichte seit 1978 durchgeht, fallen besonders die amerikanischen Künstler auf. Ich habe ungefähr 50 Ausstellungen von 17 Künstlern von der anderen Seite des Atlantiks gezählt – also eine beachtliche Zahl und eine Fülle von Informationen und Werken, die Jahn dem deutschen Publikum jenseits der allseits bekannten Popstars vorgeführt hat. Die Namen von Robert Wilson, Fred Sandback, Barry Le Va, Willem de Kooning, Terry Winters, Carroll Dunham und Al Taylor kehren immer wieder. Schmuck wurde im Studio gezeigt, einem zweiten Ort für intimere Objekte. Eine Dependance der Galerie in der Baaderstraße wurde im Dezember 1985 mit einer großen Ausstellung von abstrakten Gemälden von Gerhard Richter eröffnet.
Wie macht sich eine Galerie einen Namen, damit das, was nur sie zeigt, beachtet wird? Die spontane Antwortet lautet: Mit Werbung! Also mit Plakaten, Prospekten, Anzeigen, Internetpräsenz etc. Jahn wählte einen anderen Weg, indem er für seine Ausstellungen anspruchsvolle Kataloge herausgab. Der Werbeetat steckt in diesen Druckwerken, deren Zahl mittlerweile auf ungefähr 100 angewachsen ist und somit eine kleine Bibliothek füllen kann. Besondere Leistungen stellen die Werkverzeichnisse innerhalb der Verlagstätigkeit dar, z. B. für Georg Baselitz, Palermo, Fred Sandback, Robert Wilson und Hermann Nitsch.

Für Überraschungen war Fred Jahn immer gut. 1984 gab es eine Gruppenausstellung mit Namen wie Nay, Matta, Giacometti, Michaux, González, Hélion, Bissier, Picabia, Baumeister u. a., die einen Rückgriff in die vierziger und fünfziger Jahre darstellte. 1986 wurde Henri Michaux allein mit Papierarbeiten vorgestellt. André Masson, Christian d’Orgeix, Hans Bellmer erscheinen im Programm, aber auch Karl Hubbuch, mehrfach George Grosz, Max Beckmann, Richard Oelze, Ernst Wilhelm Nay oder Willi Baumeister. Um die Mitte der achtziger Jahre hatten sich also vier Tätigkeitsfelder herausgebildet: Zeitgenossen aus Deutschland, Österreich, Dänemark und den Vereinigten Staaten, japanische Keramik, Afrikanisches sowie Künstler aus München: Rudi Tröger, Heinz Butz, Oskar Coester, Friedrich G. Scheuer, Erwin Pfrang. Trotz der Veränderungen, die jede lebendige Aktivität mit sich bringt, ist dieses Schema auch heute noch gültig, wobei das Thema Afrika nicht mehr in der früheren Weise ausgebreitet werden kann, weil sich der Markt in Richtungen bewegt hat, die zu verfolgen Jahn nicht mehr sinnvoll erschien.

Hermann Nitsch und Fred Jahn
Hermann Nitsch (links) und Fred Jahn in der Druckerei von Karl Imhof anlässlich des Litho-Projekts »Hermann Nitsch: Die Architektur des O. M. Theaters«, München, um 1986.
Foto: Archiv Galerie Fred Jahn

Aber Professionalität als Galerist ist das eine, ohne die Sammler, profaner gesagt, ohne die Käufer, bleibt das Ganze ein Glasperlenspiel. Und an dieser Stelle zeigt sich Fred Jahns außerordentliche Begabung zur Kommunikation. Es gibt die unterschiedlichsten Typen von Kunsthändlern: den Manager, den Geschäftsmann, die graue Eminenz, den Unnahbaren, den Undurchschaubaren, den Rhetoriker, den Unterhalter, um nur einige wenige Beispiele zu nennen, für die jeder hier im Saal sofort Namen nennen könnte; Jahn möchte ich jetzt nicht in eine dieser Kategorien einsortieren. Denn einen Punkt muss ich noch erwähnen, der zu einer gelungenen Kunsthändlerkarriere gehört, nämlich die Formierung einer unverwechselbaren Sammlerkultur. Jedes Mal, wenn eine Eröffnung in der Maximilianstraße stattfindet, stellt sich für denjenigen, der als Gast von anderswoher dazukommt, jenes Gefühl ein, dass die Besucher natürlich sehr verschiedene Menschen sind, aber doch atmosphärisch zusammengehören. Ich vermute, dass es Ausnahmen gibt, die sozusagen eine Privataudienz erwarten und zu anderen Zeiten allein Händler und Ausstellung sehen wollen. Aber auch das gehört zu dem Kosmos, den die Galerie bildet. Aber es bedarf einer Mitte, die durch ein Individuum gebildet wird, das in der Lage und willens ist, die Atmosphäre entstehen zu lassen. Drei Voraussetzungen sind nötigt: Kommunikation, Kompetenz und Vertrauen. Das Wort »Atmosphäre« ist noch zu allgemein, um das zu bezeichnen, was hier gemeint ist. Es handelt sich um die Vermittlung des Gefühls, willkommen zu sein, akzeptiert zu werden und sich wohlfühlen zu dürfen. Etwas altmodisch könnte ich auch sagen, die Atmosphäre kann behaglich genannt werden; dies liegt natürlich auch an den überschaubaren räumlichen Verhältnissen, denen Glamour fremd ist und die stattdessen die Privatheit eines Kabinetts im Sinne einer alten Kunst- und Wissenskultur ausstrahlen. Das Entscheidende jedoch ist der Eindruck, dass der Händler diese drei Voraussetzungen verkörpert, also nicht nur darstellt wie eine Rolle, die nach Feierabend bis zum nächsten Morgen an der Garderobe abgehängt wird, sondern glaubwürdig verkörpert. Hier hat das Phänomen Fred Jahn seine tiefsten Wurzeln. Denn alles, was er tut, folgt nicht dem Zwang eines Berufslebens, das nun einmal nötig ist, sondern einem Beruf, der zur zweiten Natur geworden ist. Wer auch immer für die Gaben eines Menschen zuständig sein mag, die Gene, die Umwelt, der liebe Gott etc., hat Fred Jahn zu einem Menschenfreund gemacht, der eine Fähigkeit zum Gespräch hat, das zugleich unterhaltend und gehaltreich ist. Diese Disposition seiner Persönlichkeit ist der Kern seines Lebens und seines Erfolgs. Nur so konnte ich mir erklären, dass er einige Enttäuschungen, die ihm vor allem Künstler zugemutet haben, selbst nie mit Groll gesehen hat, so dass er an ehemals abgerissene Fäden unter anderen Umständen später wieder anknüpfen konnte. Dies kann nur jemandem gelingen, dem die Sache der Kunst ein unverlierbares Anliegen ist, und jemandem, der in einem oft ungemütlichen geschäftlichen Umfeld sich eines nicht hat nehmen lassen – nämlich ein Menschenfreund zu bleiben.